Kaufrecht und Vertragsrecht

Norufsystem im Auto ist nicht abschaltbar? Dann liegt ein Mangel vor!

Ist der Notruf im Fahrzeug nicht abzuschalten, stehen dem Kfz-Käufer Gewährleistungsansprüche zu, weil hierin ein Mangel liegt (AG Düsseldorf, Urteil vom 23.03.2018 - 44 C 314/17 -). Zitat:

Entscheidend dafür ist auch der technische Stand und die technische Üblichkeit bestimmter Eigenschaften. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages über den hier streitgegenständlichen Kaufvertrag war ein vom Kunden nicht abschaltbares Notrufsystem, welches fortwährend in Datenübertragungssysteme eingeloggt ist und bei der sensorischen Aufnahme bestimmter auf ein Unfall hinweisenden Daten automatisch ein Mehrzahl von Daten an bestimmte vorgegebene Stellen überträgt, weder rechtlich vorgesehen noch üblicher Standard bei Kraftfahrzeugen. Die Beklagte selbst beruft sich lediglich auf die Serienausstattung ihrer Fahrzeug-Modelle. Unbestritten ist geblieben, dass es zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages, Neuwagen und erst recht Gebrauchtwagen vom Alter des streitgegenständlichen Fahrzeuges gab, die nicht mit einem automatischen, nicht abschaltbaren Notrufsystem ausgestattet waren. Die Einrichtung von datenübertragenden Funktionen mag allgemein im Vordringen befindlich sein, ist aber weder ein technischer Standard bei elektronischen Funktionen noch ist ein solche unter durchschnittlichen Kunden bekannt. Vielmehr ist nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der bisherigen Verkehrssitte davon auszugehen, dass Einrichtungen und Systeme, die Daten nach außen übertragen, deaktiviert werden können. Abweichendes hätte ausdrücklich vereinbart werden müssen. Die Beklagte kann sich insoweit auch nicht auf Prospekt-, Werbeangaben oder auf Betriebsanleitungen im Internet berufen, denn sämtliche dort enthaltenen Erklärungen sind nicht in den Vertrag einbezogen worden. Hierzu hätte es einer ausdrücklichen Bezugnahme der Parteien bedurft.

Es liegt zudem ein Mangel durch einen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz vor (BDSG) vor. Durch die nicht abschaltbare Notrufanlage sind Daten gemäß §§ 1 Abs. 1 und 3 Abs. 1 BDSG betroffen. Nach dem Parteivortrag ist davon auszugehen, dass die Notrufanlage Informationen über persönliche und sächliche Verhältnisse zumindest bestimmbarer natürlicher Personen überträgt. Die Bestimmbarkeit einer natürlichen Person ist zu bejahen, wenn Daten erhoben werden, die ein Fahrprofil ermittelbar machen. Durch die Notrufanlage werden ausweislich der von den Parteien vorgelegten Unterlagen eine Mehrzahl von technischer Daten erhoben und weitergeleitet, die in ihrer Gesamtheit Rückschlüsse auf eine bestimmte natürliche Person vom Grundsatz her möglich machen, weil ein bestimmtes Fahrverhalten aufgezeichnet wird, welches sich zusammensetzt aus Fahrpositionen, Insassenzahl, Belastung des Fahrzeuges, Fahrtrichtung, die Aufzeichnung bestimmter Fahrstrecken, die für das Fahrzeug gewählte Spracheinstellung etc. Die Kombination dieser Daten kann Rückschlüsse über natürliche Personen ermöglichen, weil ein wiedererkennbares Fahrverhaltensmuster ermittelt werden kann (vgl. Kienast/Kühnel Telematik und Bordelektronik - Erhebung und Nutzung von Daten zum Fahrverhalten NJW 2014, 3057 ff). Gemäß § 4 Abs. 1 BDSG ist für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Daten die Einwilligung des Betroffenen erforderlich. Eine solche liegt hier nicht vor. Insbesondere ist sie für den Kläger nicht in der datenschutzrechtlichen Einwilligungserklärung gemäß Anlage B 6 enthalten. Dort hat der Kläger durch Ankreuzen allein einer der Informationsübertragung widersprechenden Passage keinerlei datenrechtliche Zustimmung erteilt. Die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung war auch nicht gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 2 a) oder b) BDSG zulässig. Sie ist nämlich nicht zum Schutz berechtigter Interessen Dritter oder der öffentlichen Sicherheit erforderlich. Die Interessen eines Verkehrsunfallschutzes können durch freiwillige Datenübertragung gleich effektiv erfüllt werden. Ob aufgrund statistischer Erfahrungen zum tatsächlichen Sicherheitsverhalten eine zusätzliche Verpflichtung zum Selbstschutz geschaffen wird, ist jeweils eine politische Entscheidung, welche hinsichtlich der Notrufanlage in Kraftfahrzeugen durch die VO (EU) 2015/58 mit ihrer innerstaatlichen Umsetzung für die Zukunft getroffen worden ist, berührt aber den Anwendungsbereich von § 28 Abs. 2 Nr. a) oder b) BDSG nicht. Auch ergibt sich aus § 28 Abs. 1 BDSG keine Berechtigung zur entsprechenden Datenerhebung, -verarbeitung und - nutzung. Wie oben ausgeführt, war die Eigenschaftsvereinbarung einer Notrufanlage nicht dahingehend auszulegen, dass es sich hierbei um eine automatisch datenübertragende, nicht abschaltbare Einrichtung handeln sollte. Vielmehr war lediglich eine Anlage geschuldet, über die Notrufe abgesetzt werden können. Insoweit ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen.

 

Zu einer ähnlichen Problematik (Daten eines Navigationssystems) auch OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 02.07.2015 - 28 U 46/15 -

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