Bei einem fremdverschuldeten Unfall muss die Schädigerseite auch die Anwaltskosten des Geschädigten voll übernehmen.

Diese Verpflichtung der Schädigerseite, die Anwaltskosten des Geschädigten zu übernehmen, betonte nochmals der BGH in seinem Urteil vom 29.10.2019 (Az. VI ZR 45/19). Der BGH sagt, dass die Versicherungen auch über kleinere Schadenbeträge Prozesse bis in die letzte Instanz führen und die Rechtsprechung teilweise uneinheitlich ist. Deswegen sind Anwaltskosten jedenfalls dann, wenn 2 oder mehr Fahrzeuge beteiligt sind, zu erstatten.

Hinzu kommt, dass beispielsweise die Allianz-Versicherung auf interne Weisung Schadenpositionen wie "Probefahrt" und "coronabedingte Fahrzeugreinigungskosten" nicht erstattet, selbst wenn sie vom Sachverständigen im Gutachten für notwendig befunden und von der Reparaturwerkstatt berechnet wurden. Damit mißachtet die Allianz die ganz überwiegende Rechtsprechung und baut darauf, dass wegen Beträgen unter 60 € nicht prozessiert wird.

Dieser Grundsatz der Erstattung der Anwaltskosten gilt auch für Firmenkunden (AG Melsungen U.v. 07.07.2016, Az. 4 C 143/16; AG Wiesbaden U.v. 23.05.2016 bei Prozeß einer Leasinggesellschaft gegen einen Kfz-Versicherer aus Wiesbaden, Az. 93 C 60/16 und AG Bad Neustadt a.d. Saale U.v. 23.06.2016, Az. 1 C 35/16). Denn IWW (Ausgabe 9/2016, S.2) schreibt: "Wo Profis am Werk sind,kürzt es sich nicht so leicht."

Liegt ein wirtschaftlicher Totalschaden vor, ist der Wiederbeschaffungswert und nicht die Differenz aus Wiederbeschaffungswert und Restwert dem anwaltlichen Gegenstandswert zugrunde zu legen.

Da der Rechtsanwalt in Fällen, in denen die Schädigerversicherung ein (höheres) Restwertangebot unterbreitet auch im Rahmen des Mandatsverhältnisses verpflichtet ist, dieses zu überprüfen, ist der Restwert bei der Bemessung des Gegenstandswerts eigentlich dem Wiederbeschaffungswert hinzu zu addieren (Jungbauer , Rechtsanwaltsvergütung, 5.Aufl. 2010, S. 686; LG Koblenz, VersR  2003, 105 aA BGH U v. 18.7.2017 - VI ZR 465/16-).

In jedem Fall darf vom Wiederbeschaffungswert nicht noch der Restwert abgezogen werden. Dies ergibt sich aus dem System des Schadensersatzrechts. Der Geschädigte kann anstelle der Naturalrestitution auch Geldersatz verlangen. Zu ersetzen ist das Integritätsinteresse, also der Geldbetrag, der zur (Wieder-)Herstellung des Zustands erforderlich ist, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde.

Die dem Geschädigten eingeräumte Ersetzungsbefugnis ermöglicht daher einen Schadensausgleich, ohne dass der Geschädigte das verletzte Rechtsgut dem Schädiger zum Zwecke der Naturalrestitution anvertrauen muss. Hat die zerstörte Sache jedoch noch einen Restwert, muss der Geschädigte sie dem Schädiger nach Zahlung des Wiederbeschaffungswerts herausgeben oder sich den Restwert – will er die beschädigte Sache behalten – anrechnen lassen. Der Geschädigte kann auch dann zwischen Herausgabe und Anrechnung wählen, wenn er den Ersatzanspruch gegen

den Haftpflichtversicherer des Schädigers geltend macht (vgl. RA Dötsch ZfS 2013, 490ff; Schneider, AnwBl 2007, 776; LG Koblenz, Urt. v. 13.4.1982 – 6 S 415/81, ZfS 1982, 205 f.; Schneider, AGS, 2005, 323 f ).

Auch in Fällen, in denen die Versicherungen auf preisgünstigere Werkstätten zulässigerweise verweist, ist aber die anwaltliche Vergütung aus den (höheren) im Sachverständigengutachten zugrundegelegten Reparaturkosten zu ersetzen. Denn der Geschädigte durfte hiermit seinen Rechtsanwalt beauftragen (so AG Düsseldorf, Urteil vom 30.6.2016 (55 C 48/16) = DAR 2016, 491).

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